Die Weihnachtsflut vom 24. Dezember 1717:

Bereits mehrere Tage vor Weihnachten, so die Überlieferung, hatte es kräftig und anhaltend aus Südwesten geweht. Kurz nach Sonnenuntergang am Heiligen Abend drehte der Wind plötzlich über West nach Nordwest und ließ ein wenig nach. Der große Teil der Bewohner ging unbesorgt zu Bett, denn z.Zt. war Halbmond und das nächste regelmäßige Hochwasser würde erst um 7 Uhr morgens eintreten. Zu der Zeit, zu der eigentlich seit langem Ebbe sein sollte, war jedoch ein Sinken des Wasserstandes nicht festzustellen.
Angeblich zwischen 1 und 2 Uhr nachts begann der Sturm, begleitet von Blitz und Donner erneut heftig aufzuleben. Zwischen 3 und 4 Uhr morgens war das Wasser bis an die Deichkappe getreten. Strömung und Wellengang ließen die Deichkappen brechen, so daß die Flut mit lautem Donnergetöse über den Deich in das ebene Land rollte. Vielen blieb nur noch Zeit, sich selber in der Dunkelheit auf den Boden unter das Dach zu retten. Meistens blieb nicht einmal Zeit Kleidung, Trinkwasser und etwas Nahrung mitzunehmen. Zahlreiche Häuser hielten dem steigenden Wasser und der Strömung nicht stand. In dem immer höher steigenden Wasser und der zunehmenden Strömung wurden Fenster, Türen und ganze Wände eingedrückt. Angeblich wütete der Orkan und die Sturmflut drei volle Tage gegen die Küste, so daß erst ab dem 28. Dezember das Wasser so weit fiel, daß man seinem Nachbarn mit einfach gebauten "Booten" zu Hilfe kommen konnte.
An vielen Stellen waren die Deiche dem Erdboden gleichgemacht worden, was dazu führte, daß in tiefer gelegenen Gegenden jede normale Flut erneut für Überschwemmungen sorgte. An den Stellen, wo die Deiche gebrochen waren, bildeten sich tiefe Wehle mit z.T. großen Ausmaßen. Vielerorts, wo der Deich auch heute in einem Halbbogen herumgeführt wird, sind diese Wehle, auch Kolke oder Bracken genannt, noch sichtbar und zeugen von der Gewalt des Wassers. Viele Menschen sollen damals geglaubt haben, die Marsch sei auf Dauer verloren. In den niedrig gelegenen Gegenden hielt sich das später mit Eisschollen bedeckte Wasser zum Teil monatelang. Bis zu den Sommermonaten soll man bei den Aufräumarbeiten immer wieder Tote bei den angeschwemmten Strohhaufen und in den Gräben gefunden haben. Viele Menschen, die die Flut überlebt hatten, fielen später dem sogenannten Marschfieber zum Opfer. Neue Sturmfluten in den darauffolgenden Jahren machten die Bemühungen für die erste Zeit zunichte, den Deich wieder in einen wehrhaften Zustand zu bekommen und viele Häuser, die zunächst nur beschädigt waren, wurden jetzt vollständig zerstört. Zahlreiche Kleinbesitzer verließen das Land, so daß die hannoversche Regierung sogar ein Auswanderungsverbot erließ. Andernfalls wäre das Land mangels Arbeitskräfte völlig zugrunde gegangen.

(Foto einer Sturmflut mit über 2m Höhe, wahrscheinlich von 1983. Der heute nicht mehr vorhandene kleinere Sommerdeich in Groden wurde überflutet und durch die Schleuse an der Baumrönne fließt das Wasser langsam wieder zurück.)

Auswirkungen auf das Amt Ritzebüttel (Cuxhaven):
Morgens um 4 Uhr kam es vor Cuxhaven zu ersten Deichbrüchen. Der erst vor wenigen Jahren angelegte Elbdeich vor Groden ging in jener Nacht vollständig verloren, der alte brach angeblich an fünf Stellen. Nach Überlieferungen soll das Wasser in der Grodener Kirche 2 1/2 Fuß hoch gestanden haben, so daß die Begräbnisse der Amtmänner und Prediger  in der Beichtkammer versanken. Insgesamt trieben im Lande 127 Gebäude weg, 20 stürzten ein. Im Neuenfelde blieben nur zwei Häuser und ein halbes stehen. In Groden selber trieben  28 Häuser weg, der Flecken Ritzebüttel verlor vier Häuser. Am schwersten aber soll es Döse und Cuxhaven getroffen haben. 57 Häuser und viele Nebengebäude trieben hier fort. Ein Großteil der Ackerkrume wurde fortgespült. Auch Neuwerk war fast vollständig überschwemmt. Auf der Insel sollen 12 Personen ertrunken sein, drei Gebäude stürzten ein. Die Bake am Rande des Watts, unterhalb von Neuwerk, wurde mitsamt einem dabei stehenden Fischerhäuschen weggerissen. Ein voll beladenes Schiff soll zwischen Altenbruch und Cuxhaven durch einen der Deichbrüche hindurch in das Land hinein gegangen sein. Der Döser Deich wurde daraufhin im Jahre 1718, der Neufelder Deich vor Groden 1719 neu gebaut.

 
Menschenverluste durch die Flut von 1717:

Westfriesland

105

Groningen

2.289

Ostfriesland

2.752

Jever

1.275

Knyphausen

374

Oldenburg

2.471

rechtes Elbufer von Hamburg bis Ditmarschen

1.003

Norderditmarschen

124

Eiderstedt

804

Husum, Nordstrand und Pelworm

109

 
Weitere Verlustzahlen aus der näheren Umgebung:

Ortschaft

Menschen

Pferde

Hornvieh

Schweine

Schafe

Groden

106

44

387

250

367

Ritzebüttel

16

-

116

60

79

Döse, Duhnen, Cuxhaven

178

166

455

328

139

Altenbruch

12

112

836

797

559

Lüdingworth

21

89

671

581

363

Nordleda

7

137

563

472

255

Neuenkirchen

7

41

176

247

150

Osterbruch

7

118

118

179

96

O.E.-Otterndorf

62

87

450

279

192

W.E.-Otterndorf

183

244

687

553

385

W.-Ihlienworth

-

215

649

286

204

O.-Ihlienworth

3

72

262

149

105

Steinau

1

109

1.035

190

283

Wanna

1

31

125

34

28

Odisheim

5

110

659

111

202