Die Schneekatastrophe zur Jahreswende 1978/79
 
An Sturmfluten hat man sich hier oben ja schon gewöhnt, doch das die Gefahr auch von oben, in Form von ungeheuren Schneemassen kommen kann, zeigte sich um die Jahreswende 1978/79. Vom 28. bis 31. Dezember fegte ein orkanartiger Schneesturm über Dänemark, Schleswig-Holstein und weite Teile Niedersachsens hinweg. Zustande kam die außergewöhnliche Wetterlage durch einen Hochdruckkeil über Südskandinavien und einem Sturmtief südwestlich von Irland. Die Ausläufer dieses Sturmtiefs mit der dazugehörigen Warmluft kamen nur noch sehr langsam über Norddeutschland nordostwärts voran. Da sich der Hochdruckkeil über Südskandinavien weiter verstärkte, wurden die Luftdruckgegensätze immer größer, was den langanhaltenden orkanartigen Ostwind zur Folge hatte. Die Tiefdruckrinne, aus der zunächst noch Regen fiel, wurde ganzSchneelandschaft... allmählich wieder nach Süden abgedrängt und die heftigen Niederschläge gingen zunehmend in Schnee über. Die Temperaturen sanken innerhalb kurzer Zeit auch am Tage auf -10 Grad. Die damals noch einfach verglasten Fensterscheiben waren bis an den oberen Rand vereist bzw. mit Schnee bedeckt. An ungünstigen Stellen türmte der Sturm meterhohe Schneeverwehungen auf. Als damals 15 Jähriger kann ich mich erinnern, daß von einer Telefonzelle im Ortsteil Groden nur noch ein paar Zentimeter herausschauten. Auf freier Fläche, wie der Altenwalder Chaussee setzte die Bundeswehr Panzer und schweres Gerät ein, um sich einen Weg durch die Schneemassen zu bahnen. Durch den anfänglichen Eisregen und die zentnerschwere Last rissen viele Freilandleitungen und der Stromausfall wurde mit zum größten Problem in vielen ländlichen Gemeinden. Schlagartig wurde einem klar, wie abhängig die heutige Gesellschaft vom unsichtbaren Strom war. Keine Heizung, Licht, Warmwasser, Radio, Fernsehen oder Melkmaschinen auf den Bauernhöfen funktionierten mehr. Vom gelegentlichen Flackern der Lampen abgesehen, blieb Cuxhaven von dem Stromausfall glücklicherweise verschont. In mehreren Landkreisen wurde ein absolutes Fahrverbot erlassen. Während es an der deutschen Nordseeküste zu sehr niedrigen Wasserständen kam, gab es an der Ostseeküste mit 1,50m erstmals seit längerer Zeit wieder eine Sturmflut. Mehrere Dämme brachen und Stadtteile wurden unter Wasser gesetzt.

Nachfolgend zwei Auszüge aus den NDR 2-Nachrichten vom 30. und 31.12.1978; etwa halbstündig wurden zusätzliche Sonderberichte gesendet:
30.12.1978, 17:30 Uhr: ...Die Schnee- und Glatteiskatastrophe in Norddeutschland hat sich weiter zugespitzt. Am schwersten betroffen sind, nach wie vor, die schleswig-holsteinischen Landkreise Flensburg, Schleswig, Nordfriesland, Plön, Ostholstein und Segeberg. Sie wurden zu Katastrophengebieten erklärt. Zusätzliche Schneefälle und starke Stürme machten im Laufe des Tages fast alle Versuche zunichte, die Verbindungen zu den etwa 80 abgeschnittenen Dörfern wieder herzustellen. Auch die Stromversorgung ist noch immer unterbrochen. Die Bundeswehr ist vereiste Fenster...gegenwärtig dabei, mit Bergungspanzern Montagetrupps zu den zerstörten Leitungsmasten zu bringen. Für die Hälfte aller in Schleswig-Holstein stationierten Bundeswehrsoldaten wurde der Silvesterurlaub wegen der Naturkatastrophe  gestrichen. Der Verkehr auf den Straßen und Schienen ist in Schleswig-Holstein fast völlig zum Erliegen gekommen. In weiten Teilen Niedersachsens sowie in den Hamburger Randgebieten sind viele Straßen ebenfalls unbefahrbar. Meterhohe Schneeverwehungen blockieren auch die Eisenbahngleise. Von Hamburg aus gibt es kaum noch Zugverbindungen in Richtung Norden. In Richtung Süden mußten die Reisenden stundenlange Verspätungen in Kauf nehmen. Dagegen verläuft der Flugverkehr ohne nennenswerte Verspätungen. Außer von Schnee- und Eisstürmen ist die Ostseeküste durch Hochwasser gefährdet. In Flensburg, Schleswig und in Lübeck wurden ganze Stadtviertel überschwemmt...
31.12.1978, 19:30 Uhr: ...Durch starke Schneefälle und schwere Stürme hat sich heute die chaotische Lage im Norden der Bundesrepublik noch verschlimmert. Die Rettungs- und Bergungsarbeiten sind erheblich beeinträchtigt, weil der anhaltende Schneefall ständig neue Probleme schafft. Bisher hat der Wintereinbruch in Norddeutschland 4 Todesopfer gefordert. In Hamburg starben 2 Menschen, in Schleswig-Holstein und Niedersachsen je Einer. Besonders schlimm sieht es weiterhin in Schleswig-Holstein aus. Im Kreis Schleswig-Flensburg konnten heute zwar zahlreiche Stromleitungen provisorisch repariert werden, so daß etwa 25 Ortschaften wieder mit Strom versorgt werden. Hier sind aber noch zahlreiche Gemeinden von der Außenwelt abgeschnitten und Tausende von Menschen ohne Heizung und Licht. Die Hilfe für die Bewohner dieser Ortschaften hat für den Krisenstab der Landesregierung absoluten Vorrang. Man will versuchen, mit Bundeswehrfahrzeugen Notstromaggregate in diese Dörfer zu bringen. In Niebüll gehen die Gasvorräte zur Neige. Die Bevölkerung wird aufgerufen, nur noch ein Zimmer zu heizen, um Energie zu sparen. In den Kreisen Nordfriesland, Ostholstein und Schleswig-Flensburg gilt ein unbefristetes Fahrverbot für Privatautos. Am späten Nachmittag konnten 60 Menschen geborgen werden, die auf der Autobahn bei Neu-Münster in ihren Kraftwagen eingeschneit waren. Tausende von Soldaten, Polizisten, Feuerwehrleuten und Angehörige der Hilfsorganisationen sind im Einsatz. An der Ostseeküste droht zum 1. Mal seit 1890 wieder eine Sturmflut. An mehrerern Stellen wurden Dämme beschädigt und überflutet. Im Hafen des Ostseebades Damp sank ein Ausflugsdampfer. Die Hochseefähre "Deutschland" ist trotz orkanartigen Sturmes unterwegs von Rodby nach Kiel. Die Schiffsleitung teilte mit, daß sie bei einem Seenotfall in der Ostsee Hilfe leisten muß. Einzelheiten darüber sind noch nicht bekannt. Auch in Niedersachsen hat sich die Lage heute verschärft. In Hannover musste der ganze Bus- und Straßenbahnverkehr eingestellt werden. Ein Großteil der Bundesautobahnen und Bundesstraßen in Niedersachsen sind zumindest einspurig befahrbar. Die meisten anderen Straßen sind nach wie vor unpassierbar...